BLOGBEITRAG
30. April 2015 · 36 KommentareLange Führung
Andere Bezeichnungen:
Langzeitführung, Führung mit Kühllagerungsphase, Gärverzögerung
Beschreibung:
Unter Langzeitführung wird eine mehrstündige Teigführung verstanden (wird selten auch auf Vorteige bezogen). In der Regel betrifft dies direkt geführte Teige, aber auch indirekt geführte Teige können einer langen Führung unterzogen werden.
Die Gärzeit der Teige wird über den Hefeanteil und die Teig- und Umgebungstemperatur gesteuert.
Langzeitgeführte Teige werden mit mindestens 40-50% weniger Hefe und etwas mehr Zuguss angesetzt. Die Teig- und Lagertemperatur liegt deutlich unter 24°C. Häufig geht die lange Führung mit einer Gärverzögerung durch kühle Gare einher. Dabei sollten Teige mit enzymstarken Mehlen niedriger temperiert werden (0-5°C) als Teige mit enzymschwachen Mehlen (5-10°C). Je höher die Temperatur und je länger die Reifezeit, umso unregelmäßiger und gröber wird die Porung der Krume, bedingt durch den stärkeren enzymatischen Abbau von Stärke und Eiweißen. Außerdem intensiviert sich die Krustenstärke und Krustenfärbung.
Vorteile der langen Führung sind eine bessere Verquellung der Teigbestandteile, eine röschere Kruste, eine bindigere Krume und ein deutlich besserer Geschmack.
Quellen:
Lutz Geißler
Sigi
21. Februar 2016 um 14:16
Guten Tag, lieber Lutz
eine Frage – ich probiere grad ein Brotrezept aus und möchte eine Langzeitführung machen. Das Rezept sieht vor, dass der Teigling zunächst eine „Minigare“ von ein paar Minuten hat (der Teigling wird mit kaltem Wasser und kaltem Quellstück zubereitet) und dann direkt in den Kühlschrank gestellt wird, und zwar bei 5°C für 20 Stunden. Jetzt habe ich folgendes Thema: Der eine Kühlschrank hat ca. 7-10°C (weil relativ voll), der andere hat (weil relativ leer) 3°C.
Meine Frage ist nun: Da ich die 5°C entweder deutlich über- bzw. unterschreiten würde – wie würdest Du die Garzeit jeweils empfehlen, um hinterher auf das gleiche Ergebnis zu kommen? Gibt es eine Art Faustregel zum Umrechnen, so in dem Stil „so-und-so-viel Grad mehr/weniger an Temperatur bedeutet so-und-so-viel Stunden mehr/weniger Garzeit“? Der Teigling enthält v. a. Weizen- und Roggenmehl.
Gaaanz lieben Dank!! Es grüßt Sigi
Lutz
25. Februar 2016 um 10:37
Als Faustregel gilt: alle 5°C verdoppelt bzw. halbiert sich die Reifezeit. Unter 4°C würde ich aber nichts lagern, weil dann die Hefe im Prinzip nichts mehr tut.
Heiko
16. März 2018 um 11:13
Hallo!
Würde das bedeuten, dass wenn man bei Rezepten aus „Brot backen in Perfektion mit Hefe“ die „Raumtemperaturgare“ durch „Kühlschrankgare“ ersetzen wollte eine Reifezeit von ca. 8 Tagen heraus kommen würde (20°C -> 1 Tag, 15°C -> 2 Tage, 10°C -> 4 Tage, 5°C -> 8 Tage)?
Da wäre dann wohl mehr Hefe angesagt 😉 Ich bin jetzt in dem Buch noch nicht zum Ende gekommen- wird da später noch darauf eingegangen wie stark man die Hefemenge vergrößern muss für eine Kühlschrankgare (z.B. bestimmt hilfreich im Sommer)? Oder vielleicht im BBB Nr.1, das hätte ich auch noch da 😉 Wie lange kann man einen Teig denn maximal Reifen lassen (falls man es hinbekommt die Hefe so fein zu Portionieren) um am Ende noch ein vernünftiges Backwerk hinzubekommen?
Vielen Dank für die Bücher,
Heiko.
Lutz
20. März 2018 um 11:37
Hallo Heiko,
der Theorie nach wäre das korrekt, aber die Praxis kennt ja noch weitere Einflüsse auf die Reifezeit. Außerdem spielen auch noch enzymatische Prozesse eine Rolle, die dir den Teig abbauen während die Hefe ihn lockert. 8 Tage ist jenseits von Gut und Böse ;).
Die maximale Reifezeit eines Teiges lässt sich nicht pauschal angeben, weil das von den Mehlen, den Lagerungsbedingungen, der Hefe etc. abhängt. Das kann man nur rezeptspezifisch beantworten und das wiederum auch nur durch Ausprobieren.
Für eine Kühlschrankgare von ca. 24 Stunden bei 5°C würde ich 0,5-0,8 g Hefe auf 1 kg Mehl ansetzen.
Heiko
21. März 2018 um 10:50
Vielen Dank!
In „Brot backen in Perfektion mit Hefe“ hast du ja auch einen Abschnitt über die Veränderung der Rezepte bei Kühlschrankgare drin. Ich sollte erst einmal alles richtig lesen bevor ich Fragen stelle 😉
Claudia
28. Dezember 2019 um 19:35
Die setzt du doch im Schnitt schon bei Raumtemperatur ein. Ich hatte dein Buch so verstanden, dass man für die Kühlschrankgare die Hefemenge verzehnfacht – das wären bei mir eher acht Gramm Hefe 🤔 Habe ich einen Denkfehler?
Lutz
30. Dezember 2019 um 21:27
Das war ein Tippfehler. Es muss 100 g Mehl und nicht 1 kg Mehl heißen bzw. 5-8 g Frischhefe auf 1 kg Mehl :).
Jean
21. Februar 2016 um 16:53
Hi, wunderschönes Wörterbuch! Was versteht man denn unter enzymstarken und enzymschwachen Mehlen? Haben Sie Beispiele, dass man das einordnen kann?
Und was ist mit 40-50 % der Hefe gemeint? Ausgehend von welcher Basis? Merci!
Lutz
25. Februar 2016 um 10:40
Der Wert bezieht sich auf die Hefemenge. Sie verwenden also rund die Hälfte weniger Hefe.
Enzymstarke Mehle habe eine höhere Enzymaktivität, bauen also die Mehlbestandteile stärker ab, was u.U. zu einer zu feuchten Krume und schlechten Backeigenschaften führen kann.
Die handelsüblichen Mehle sind meist von ausgeglichener Qualität, sodass Sie sich darüber keine Gedanken machen müssen.
Christa
5. November 2016 um 09:37
Wie bewahre ich den Teig bei der Langzeitführung im Kühlschrank auf, damit er nicht austrocknet? Evtl. in Klarsichtfolie?
Lutz
7. November 2016 um 07:58
Eine Folie, Abdeckhaube oder Deckel/Teller auf die Schüssel setzen.
Patricia
23. August 2017 um 05:30
Hallo Lutz,
ich habe einen Rezept für Brötchen mit 330 g Sauerteig (Rogen Vollkorn) und 380 g Mehl Typ 550.
Kann ich so ein Teig auch über Nacht garen lassen?
Wenn ja, lieber draußen oder in Kühlschrank?
Vielen Dank für Deine Antwort
Grüße
Patricia
Lutz
26. August 2017 um 11:16
Das lässt sich so pauschal nicht sagen. Da müsste ich die komplette Rezeptur sehen. Und am Ende kommt es auf einen Versuch an. Es sollte (bei guter Sauerteigqualität) auch im Kühlschrank klappen. Es kann aber sein, dass die Sauerteigmenge angepasst werden muss, damit die Teiglinge morgens nicht überreif oder noch zu jung sind.
Patricia
26. August 2017 um 14:33
Hallo Lutz,
hier findest Du das Rezept:
http://www.chefkoch.de/rezepte/1896341309001591/Weltmeister-Broetchen.html
Hoffentlich kannst Du etwas dazu sagen.
Vielen Dank für Deine Hilfe
Schöne Grüße
Patricia
Lutz
18. September 2017 um 08:54
Ja, das sollte gehen. Probiere es gern mal aus. Am Ende entscheidet die Zeit/Temperatur im Kühlschrank, wann der Teigling perfekt reif für den Ofen ist.
Patricia
23. August 2017 um 05:58
Sorry!
Wollte ich noch erwähnen, das der Teig keine Hefe hat.
Patricia
Ueli Stalder
28. April 2018 um 11:18
Sehr geehrter Lutz. Durch die Langzeitgärung werden die sogenannten FODMAPs vergoren. Welche Teigtemperatur ist am idealsten für diesen Prozess. Verlangsamt sich dieser Prozess mit der zunehmenden Kühlung. (Zum Beispiel Kühlschrankgärung) Besten Dank für Deine Antwort. Ueli
Lutz
3. Mai 2018 um 15:50
Meines Wissens hat die Temperatur keinen bedeutenden Einfluss darauf, sondern die Dauer.
Xavier
17. April 2019 um 08:09
Lieber Lutz,
(Entschuldigung für meine deutsch – Belgische Herkunft 🙂 )
Vielen Dank für die ausgezeichnete Hilfe auf deine Seite!
Eine Frage zum kalte Gare: Normalerweise bereite ich ungefähr 2,5 kg Teig. Ist es am besten, es vor der kalte Gare oder danach zu formen? (Das wäre dann Kalte Stückgare oder Stockgare, richtig?). Vielen dank!
Lutz
27. April 2019 um 11:02
Ich bin eher ein Freund der kalten Stockgare, also Formen nach der kalten Teigruhe, weil das mehr Volumen bringt.
Stefan Lippert
5. November 2019 um 14:29
Hallo ,
ich arbeite schon seit längerer Zeit daran ein ungarisches Weißbrot zu kopieren. Dieses zeichnet sich durch eine herrlich fluffige Krume und eine schöne Kruste aus. Hab bis jetzt alles ganz gut hinbekommen. Aber das Volumen und die Fluffigkeit der Krume sind bisher leider nicht so zufriedenstellend.Gestern hatte ich nach 12h Stockgare noch einmal 2 h Stückgare angefügt. Trotzdem gab es keine wesentliche Verbesserung. Stockgare war bei ca. 20 °C und die Stückgare bei etwa 23 °C. Was könnte ich noch versuchen?
Lutz
8. November 2019 um 06:59
Vieles hängt auch an der Formgebung. Der Teig muss richtig unter Spannung stehen (also gern straff formen, Zwischengare und nochmals straff formen). Außerdem würde ich mutmaßen, dass im Original Backmittel zum Einsatz kommen, die eine Fluffigkeit verursachen, die auf natürlichem Wege nicht möglich ist.
Stefan Lippert
30. November 2019 um 12:49
Danke für die Antwort. Welche Backmittel könnten das sein?
Christian
3. Dezember 2019 um 18:04
Hallo Stefan, dies könnten künstlich hergestellte Enzyme sein und zusätzlich noch Ascorbinsäure (für die Gärstabilität).
Ich würde an deiner Stelle mit einem festen Vorteig arbeiten (und eventuell ein bisschen Weizensauerteig). In den Hauptteig kommen dann noch Hefe, Malzmehl und vielleicht ein paar gramm Butter. Lutz hat bestimmt noch bessere Ideen 😉 Viele Grüße Christian
Stefan Lippert
3. Dezember 2019 um 19:16
Danke!
Maximilian
6. Januar 2020 um 21:11
Hallo Lutz,
Sag mal in wieviel muss ich die Hefe reduzieren, wenn ich die Teiglinge über Nacht bei Zimmertemperatur gehen lassen will?
Mein Blech passt leider nicht on den Kühlschrank. Daher muss ich immer einen Vorteig machen. Ich würde aber gerne mal die Brötchen fertig schleifen und dann auf dem Blech gehen lassen.
Bisher verwende ich für die Gare 7g frischefe und im Hauptteig nochmals 7g Frischhefe auf insgesamt 670g Selbstgemahlenes Weizenmehl.
Wenn ich die Brötchen fertig mache und nur 7g Frischhefe nehme sollte das doch bei knapp 20 °C klappen oder? Über Tipps würde ich mich freuen.
Viele Grüße
Maximilian.
Lutz
7. Januar 2020 um 21:34
Probiere es mal mit 0,1-0,2% Hefe, also auf 1 kg Mehl 1-2 g Hefe. Mehr braucht es nicht.
Maximilian
15. Januar 2020 um 15:42
Herzlichen Dank! 🙂
Das probiere ich gerne aus.
Georgios Dassis
26. Januar 2020 um 07:18
Hallo Lutz
!
Ich bin ein Exbuchhalter und seit 7 Jahren professional Baecker.Ich betreibe
eine Baeckerei in Korinth-Griechenland und will fuer ein grosses Teil meiner Brot produktion die Langzeit fuehrung anwenden.
Kennst Du irgendwelche Baeckereien die auf lzf umgestiegen sind? Arbeitet man mit Stockgare oder Stueckgare,denn Ziel ist die Nachtarbeit zu minimieren -nach ein paar Jahren wird es keinen Mensch mehr geben der nachts arbeiten will -.Welche sind die wichtigsten Probleme die vielleicht auftreten werden ?
Fuer diene Antwort bedanke ich mich sehr.Immerhin ein grosses Bravo fuer dein Blog,ich lese es regelmaesig und habe vieles gelernt.Ein Herzlichen Dank und viele Gruesse.Georgios
Lutz
27. Januar 2020 um 19:07
Hallo Georgios,
so pauschal lässt sich das nicht sagen. Es kommt ganz auf dein Zeitbudget und die Rezeptur an und natürlich auf das Produkt, das entstehen soll. Es gibt beide Wege, also lange Stock- und/oder Stückgare. Und alle führen zu einem guten Brot, aber jeweils mit anderen Eigenschaften.
Wenn du Bäckereien suchst, die (in Teilen) so arbeiten, schau mal bei den Freien Bäckern vorbei. Falls du Beratungsbedarf siehst, kannst du dich auch gern per Mail an mich wenden. Ich biete auch Bäckereiberatung für kommerzielle Zwecke an mit dem Schwerpunkt Rezeptentwicklung und -optimierung.
Ursula Maria
21. Mai 2020 um 19:01
hallo,
Ich habe im Zusammenhang mit Brot backen irgendwann einmal gelesen dass man den Teig zu Unterschiedlichen Temperaturen gehen lassen soll, um außer Hefe Bakterien auch Milchsäure und andere Bakterien zu vermehren.
Nun finde ich dazu aber gar nichts mehr im Netz.
Habe ich das nur geträumt…?
Viele Grüße Ursula Maria
Lutz
11. Juni 2020 um 09:03
Bei Sauerteig kann das Sinn machen. Hauptteige lässt man für gewöhnlich bei einer konstanten Temperatur reifen.
Philipp
22. Mai 2020 um 00:32
Lieber Lutz!
Ich versuche momentan ein Rezept für ein Weizenmischbrot mit zweistufigem Roggensauerteig ohne die 2g Hefe die im Rezept sind zu schaffen.
Der Teig hätte mit Hefe eine Stockgare von 18H im Kühlschrank, falls sas hilft.
Muss ich die Sauerteigmenge erhöhen, oder einfach die Stockgare verlängern?
Hast du einen Tipp wie ich die Hefe ganz weglassen kann?
Danke und liebe Grüße
Philipp
Lutz
11. Juni 2020 um 09:02
Ich würde den Teig einfach im Raum „anspringen“ lassen, bis ich etwas Gas bzw. Volumenzuwachs sehe, ihn nochmal ausstoßen bzw. dehnen und falten und dann in den Kühlschrank stellen. Das sollte reichen.
Michael
31. August 2020 um 13:52
Hallo Lutz
Für meinen Dinkelhefezopf verwende ich jeweils ein Mehlbrühstück (manchmal auch ein Kochstück), um mehr Feuchtigkeit im Teig zu halten. Wie ist das bei einem langzeit geführten Teig (ca 24h)? Durch die lange Führung sollte die Verquellung ebenfalls besser erfolgen, benötige ich da noch ein Koch- oder Brühstück? Und wenn wir gerade dabei sind, macht ein Poolish in einen langzeit geführten Teig Sinn?
Vielen Dank und viele Grüsse!
Lutz
3. September 2020 um 20:47
Auf den Poolish würde ich verzichten, erst recht wenn der Teig bei Raumtemperatur reift. Das Mehlkochstück macht dann allerdings immer noch Sinn, aber in kleinerer Menge (nur 1-3% des Mehls verkochen), sonst wird zu viel Stärke in Zucker verwandelt.